Energiestrategie 2050 – Emotionalisierte Debatte auf dem Höhepunkt

    Wer wird dieses Wochenende jubeln und wer nicht? Und wer profitiert von einem «Ja»?

    In der ganzen Schweiz wie in der Region auch spitzt sich die Debatte um die Energiestrategie-Abstimmung zu. Sagt das Volk am 21. Mai «Ja» zur Energiestrategie, wird die Förderung von erneuerbarem Strom ausgebaut. Die Lager sind tief gespalten und die Argumentationen werden mit grosser Emotionalität platziert. Wer aber wird profitieren und wer nicht, wenn sich das Pro-Lager von Doris Leuthard durchsetzen sollte?

    (Bild: Fotolia) Beschäftigte in den Branchen Cleantech oder auch Umwelt und Energie würden bei einem «Ja» zur Energiestrategie 2050 massiv profitieren.

    Der Ausbau der Förderung von erneuerbarem Strom bedeutet, dass man mehr Fördergelder für die  «kostendeckende Einspeisevergütung KEV» zur Verfügung stellen müsste. Bereits heute verteilt der Bund jährlich über 400 Millionen Franken Fördergeld. Profitieren werden davon jene, die bereits jetzt viele Fördermittel erhalten: Hohe Subventionsbeträge fliessen nämlich vor allem an Wasserkraftwerke und Kehrichtverbrennungsanlagen, die auch Strom produzieren. Im Raume Nordwestschweiz sind dies die Industriellen Werke Basel (IWB). Sie haben bisher über 8 Millionen Franken Fördergeld erhalten. Man munkelt jetzt, dass sie für ihre Anlage über den ganzen Förderzeitraum über 160 Millionen Franken erhalten würden. Eine Studie des Basler Ökonomen Silvio Borner berechnete schon im Winter 2014 die direkten Kosten der Energiestrategie 2050. Man kam auf einen Betrag von zirka 100 Milliarden Franken.

    IWB und Photovoltaik-Projekte als «Profiteure»
    Die grosse Masse der geförderten Anlagen sind Photovoltaik-Projekte. 10‘500 Solaranlagen haben 2015 über 147 Millionen Franken Fördergeld erhalten (Quelle: Bundesamt für Energie). Dem gegenüber steht aber der schleppende Windausbau in der Schweiz. Das Bundesamt für Energie hat im Jahre 2015 nur gerade 27 Anlagen mit Förderbatzen unterstützt. Obwohl viele Projekte angemeldet sind, können nur wenige Windanlagen auch gebaut werden. Dies unter anderem auch, weil der Widerstand gegenüber dieser Stromförderung besonders hoch ist. Sogar Umweltorganisationen stemmen sich gegen diesen Ausbau. Es sei eine «Verschandelung der Landschaft und gefährlich für Mensch und Tier» sagen einige. So auch Philippe Roch, einer der Wortführer des Contra-Lagers, früherer Direktor des World Wildlife Fund (WWF) und ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Umwelt. «Eine Energiestrategie gegen die Natur wird niemals erfolgreich sein», liess er an einer Pressekonferenz verlauten. Er kritisiert vor allem den vorgesehenen Ausbau der Windenergie. Die sei «teuer», «gefährlich» und «wenig effizient».

    Weniger stark in der Kritik: Die Photovoltaik. Sie ist in den letzten Jahren massiv billiger geworden. Bei keiner anderen vom Bund geförderten Technologie gab es vergleichbare Kostensenkungen. So haben sich die Kosten pro Kilowattstunde von 2006 bis 2015 mehr als halbiert. Eine Kilowattstunde aus einer 2006 in Betrieb genommenen Anlage kostete im Jahr 2015 noch 68 Rappen. Bei einer 2015 ans Netz gegangenen Anlage liegen die Kosten noch bei 22 Rappen (Quellen: Bundesamt für Energie). Bei der Wasserkraft oder den Wind- und Biomasseanlagen gäbe es hingegen keine vergleichbare Entwicklung, hiess es in diversen Medienmitteilungen.

    (Bild: WWF) Wie weit ist man jetzt schon mit der Energiewende in den Kantonen? Diese Karte vom WWF zeigt dies auf. Basel Stadt und Baselland gehören zu den «Vorreitern».

    Starke Allianz «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050»
    Natürlich werden Unternehmen, die in den Energie-Branchen tätig sind, profitieren. Viele machen sich für die Energiestrategie 2050 stark. Die Allianz «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050» gehört dazu. Das Ziel ist es aufzeigen, dass der Umbau des Energiesystems sowohl langfristig nötig, aber auch machbar und finanzierbar sei. Zu den Befürwortern gehören auch  Branchenverbände wie Holzbau Schweiz und ARE SUISSE, die SBB, Tourismus-Unternehmen, die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, aber auch die Stromversorger und die in Swisspower zusammengeschlossenen Stadtwerke.

    Neue Jobchancen, wenn man auf’s richtige Pferd setzt
    Gewinner der Energiewende und der Umsetzung der Energiestrategie 2050 könnte es aber auch auf dem Jobmarkt geben: Trendscouts betonen, dass künftig Mitteleuropa eine «Oase für grüne Technologie» sei, da stetig in erneuerbare Energien investiert wird. So wird man immer häufiger die Berufsbezeichnungen «Abfall-Designer», Energieberater/in mit eidgenössischem Fachausweis, Fachmann/Fachfrau Entsorgungsanlagen und Rohstoffaufbereiter/in hören. Der Umwelt- und Klimaschutz schaffe «grüne Arbeitsplätze» sagen die Experten. In den letzten drei Jahren hat sich der Berufsmarkt dementsprechend angepasst. Somit haben zum Beispiel Techniker HF in Umwelt und Energie besonders gute Aussichten. Dies mache sich bemerkbar bei der Förderung einer passenden Ausbildung durch Bund und Kantone (auch Basel Stadt, Baselland und Kantone in der Nordwestschweiz). Denn auch die Politik hat erkannt, wie wichtig die Förderung dieser Berufszweige jetzt schon ist. So wird von offizieller Seite kommuniziert, dass für Forschung, Entwicklung, Produktion, Logistik und Vertrieb im Cleantech-Bereich es zunehmend spezifisch geschulte Fachpersonen brauche. Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt (OdA) und Bildungsanbieter würden jetzt eng zusammenarbeiten, um die Aus- und Weiterbildung auf allen Stufen weiterzuentwickeln und zu optimieren. Die TEKO Basel als Anbieterin von Ausbildungen im Bereich Technik, Energie und Umwelt sowie Cleantech kann somit den Studierenden je nach Wohnkanton einen äusserst vorteilhaften Preis für einen inhaltlich wie auch vom Berufsstatus her enorm wertvollen HF Abschluss bieten. «Diese Ausbildungen wurden von uns entwickelt, weil die Nachfrage schon jetzt stetig zunimmt und erst recht in Zukunft hierfür gross sein wird. Dies gilt besonders für die Techniker HF Energie und Umwelt», sagt TEKO Basel Schulleiterin Terry Tschumi. Man würde in den betreffenden Branchen auf vielen Ebenen eine grosse Nachfrage nach gut ausgebildeten und spezialisierten Berufsleuten erzeugen und so sei es auch praktisch, dass man bei vielen dieser Ausbildungen auch während der Berufszeit das Handwerk von der Pike auf lernen kann. Und sie fügt an: «Eine solche Ausbildung ist zudem auch nicht alltäglich und spannend. Man kann in die Zukunft blicken. Als Bewerberin oder Bewerber auf dem Arbeitsmarkt bietet man zudem auch damit ein Alleinstellungsmerkmal und kann sich sowohl als Spezialist/in und als vielseitige Berufsperson anbieten. Man fällt positiv auf und hat einen klaren Wettbewerbsvorsprung, da noch keine allzu grosse Konkurrenz mit dieser fundierten Ausbildung vorhanden ist.»

    Jobkiller oder Jobkatalysator?
    Bei den Meinungen, ob die Energiewende zu einem Jobkatalysator oder Jobkiller wird, scheiden sich die Geister. Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) etwa geht von 85’000 neuen Jobs bis 2035 aus. Dies bei heute gut 22’000 Beschäftigten im Sektor der erneuerbaren Energien. Nicht eingerechnet sind darin jedoch die wegfallenden Stellen in den fünf Schweizer Atomkraftwerken. Deren Rückbau schaffe jedoch seinerseits wieder neue Arbeitsplätze, so die SES. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hingegen rechnet mit Verlusten. Er verweist auf eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Demnach minderten politisch verteuerte Strom- und Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit und bewirkten Wachstumseinbussen, die einem Äquivalent von circa 100’000 Arbeitsplätzen entsprächen.

    JoW

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