Markt ja – aber mit Wettbewerb

    Immer wieder gibt es Diskussionen über den «freien Strommarkt» – auch in Leserbriefen an diese Redaktion. Die NZZ titelte sogar «Ohne Liberalisierung des Strommarkts keine Energiewende.» Was oft vergessen wird: Damit ein Markt funktioniert, braucht er Wettbewerb.

    (Bild: pixabay) Was heute als «Strommarkt» gilt, ist weit vom Wettbewerb entfernt.

    Zunächst: Mit der sogenannten Energiewende hat der freie Strommarkt nichts zu tun. Denn seit über 20 Jahren wird er in der Schweizer Politik thematisiert. Die Energiestrategie 2050 kam erst viel später. Erst im Mai 2017 nahm das Volk die Revision des Energiegesetzes an.

    Die Grundfrage des Strommarkts ist eine ganz andere, nämlich: Kann man eine bessere Versorgung zu besseren Preisen in einem freien Markt für Strom erreichen, oder nicht? Nun kann man für oder gegen einen freien Markt für Strom sein, doch wichtig ist, dass man weiss, was einen Markt ausmacht. Das ist nämlich der Wettbewerb.

    Wettbewerb ist zentral
    Wettbewerb ist ein ständiger Prozess der gegenseitigen Herausforderung. Anbieter fordern sich gegenseitig heraus mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, Produkten und Preisen. Nachfrager fordern sich gegenseitig heraus mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Zahlungsbereitschaften. Der Markt stellt durch den Preismechanismus sicher, dass alle voneinander lernen.

    Dieser Prozess sorgt für die Befriedigung der Bedürfnisse aller Seiten aber auch für Innovation. Interessanterweise zeigt sich, dass Märkte, wo sie frei sind, auch weniger volatile Preise haben und sogar Preise senken. Doch eben: Sie müssen frei sein. Freier Markt bedeutet, erstens, einen möglichst unkomplizierten Zugang, und zweitens die Möglichkeit der Preisdifferenzierung.

    «Strommarkt» ohne Wettbewerb
    Weder das erste noch das zweite sind im sogenannten «Strommarkt» gegeben. Zum Beispiel ist es sehr schwer, dem Markt als Anbieter beizutreten. Nur wenige bieten also Strom zum Verkauf an. Sie haben entsprechend wenig Interesse, sich gegenseitig herauszufordern, was man auch an den «Marktpreisen» sieht. Sie werden zentral gemacht und folgen der Kostenstruktur der jeweils teuersten Stromproduktion, dem Gas.

    Dass es nur wenige Anbieter gibt und dass die Preise nicht differenziert werden, sind klare Belege für oligopolistische Strukturen. Die Strombörse ist sogar ein Monopol. Was man heute «Markt» nennt, ist nicht frei; Wettbewerb herrscht nirgends.

    Lösungen
    Wie sehen Lösungen aus? Seit mindestens 2010 stehen zwei Lösungswege zur Diskussion. Sie bleiben aktueller denn je: Einerseits soll die Schweiz die vollständige Liberalisierung des Strommarktes vorantreiben. Sie beinhaltet die vollständige Liberalisierung der Einspeisung, des Handels inklusive der Schaffung alternativer Börsen und Handelsinstrumente und die absolut freie Wahl der Stromversorger und Energiequellen.

    Andererseits und bis diese vollständige Liberalisierung abgeschlossen ist, soll man den Stromverbrauchern die Wahl zwischen Markt und Grundversorgung geben. Diese Wahl beinhaltet das Recht, in die Grundversorgung zurückzukommen. Damit funktioniert diese Wahl als wettbewerbliches Korrekturelement. Dieses ist umso nötiger, um die Marktmacht der Oligopolisten und Monopolisten zu brechen.

    Mit einer gezielten Änderung der Stromversorgungsverordnung sollen Stromverbraucher ein Rückkehrrecht erhalten. Allerdings müssen sie die Wahrnehmung dieses Rechts ein Jahr im Voraus ankündigen; dann müssen sie drei Jahre in der Grundversorgung verbleiben und dann kann ihnen noch ein Penalty von bis zu 10% auf die Energiekosten verrechnet werden. Für die Stromverbraucher ist das schmerzhaft. Für die Stromoligopolisten und -monopolisten gar nicht. Wichtig ist aber hier, mindestens einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.

    Markt oder nicht markt?
    Das Ziel ist und bleibt der freie Markt. Mit Wettbewerbsprozessen wird die Versorgungssicherheit sicherer und Strompreise günstiger. Vor allem entsteht Innovation, welche auch für die Energiestrategie 2050 förderlich sind. Doch die bittere Wahrheit ist: Was heute als «Strommarkt» gilt, ist weit vom Wettbewerb entfernt. 

    Henrique Schneider

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    Wettbewerbliche Ausschreibungen zum Stromsparen

    Derzeit können im Rahmen der 14. Ausgabe der Wettbewerblichen Ausschreibungen Programm- und Projektgesuche eingereicht werden. Die insgesamt 70 Millionen Franken Fördermittel stehen für unwirtschaftliche Stromsparmassnahmen zur Verfügung. Noch bis am 2. Mai 2023 können Programm- und Projektgesuche eingereicht werden. Für die Gesuche von Projekten mit einem Förderbeitrag bis maximal 2 Millionen Franken gibt es keine fixen Eingabetermine mehr: Die Gesuche können zwischen 7. November 2022 und 5. November 2023 zu einem beliebigen Zeitpunkt eingereicht werden. Die Anträge für Projekte mit Förderbeiträgen zwischen zwei und sechs Millionen Franken müssen bis am 14. April 2023 online übermittelt werden. Im Ausschreibungsjahr 2023 stehen insgesamt maximal 70 Millionen Franken für Projekte und Programme zur Verfügung, davon maximal 20 Millionen Franken für die Projekte mit Förderbeiträgen von mehr als 2 Millionen Franken. Finanziert werden diese Fördermittel aus dem Netzzuschlagsfonds.

    Mit den Wettbewerblichen Ausschreibungen unterstützt der Bund unwirtschaftliche Stromsparmassnahmen, die ohne den Förderbeitrag nicht umgesetzt würden. pd

    www.prokw.ch

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