Nachhaltiges Know-how für Aargauer KMU

    Die Aargauer KMU sind gut unterwegs. Gerade in der Pandemie zeigten sie sich innovativer denn je und so startete das Hightech Zentrum Aargau so viel Projekte wie noch nie. Dabei spielt die Nachhaltigkeit immer auch eine grosse Rolle. Das HTZ setzt zudem in über 100 Projekten auf den Wissenstransfer mit den Hochschulen. Martin A. Bopp, Geschäftsführer des Hightech Zentrums Aargau, über das Potenzial der Digitalisierung, über unerwartete Lösungen dank den sogenannten Hackdays, über die Plattform E-Cargovia sowie über die Kreislaufwirtschaft in den Aargauer Unternehmen.

    (Bild: zVg) Martin A. Bopp: «Der aktive Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen wird auch in der Zukunft eine Hauptstossrichtung bleiben.»

    Das Hightech Zentrum Aargau HTZ berät, begleitet und unterstützt kleine und mittelgrosse Unternehmen im Kanton Aargau, damit diese sich weiterentwickeln und neue Ideen umsetzen können. Wie innovativ unterwegs sind die Aargauer KMU?
    Martin A. Bopp: Viele Unternehmen sind sehr gut unterwegs. Sie können am Standort Schweiz im internationalen Wettbewerb nicht mit günstigen Preisen punkten. Wichtig ist Qualität und Innovationskraft. Sie müssen der Konkurrenz immer einen Schritt voraus sein. Das geht nur mit ständiger Verbesserung. Ich staune immer wieder, wie sich so kleinste Unternehmen in ihrer ganz spezifischen Nische eine Weltmarktführerschaft erarbeitet haben. Unsere Aufgabe ist es, sie in diesem Prozess zu unterstützen.

    Die Pandemie hat die Aargauer KMU zum Teil arg getroffen. Hat die aktuelle Situation Auswirkungen auf ihren Innovationsgeist?
    Die Pandemie hat die Unternehmen je nach Branche unterschiedlich getroffen. Bei den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, war häufig ein Problem, dass durch die unterbrochenen Lieferketten das Material fehlte, dass Mitarbeitende ausfielen, oder dass durch die Kontaktbeschränkungen kaum neue Kunden akquiriert werden konnten. Interessanterweise ging aber bei diesen Unternehmen der Innovationsgeist nicht zurück. Im Gegenteil: Wir konnten noch nie so viele neue Projekte starten wie im Corona-Jahr. Es scheint fast so, als hätten die Unternehmen die durch die Einschränkungen frei gewordenen Kapazitäten für Innovationsprojekte genutzt.

    Was sind die heutigen Stossrichtungen des Hightech Zentrums Aargau nach acht Jahren erfolgreichen Wirken?
    Der aktive Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen wird auch in der Zukunft eine Hauptstossrichtung bleiben. Hier können wir einen enormen Mehrwert erzeugen, wenn die Unternehmen vom Wissen, den Kompetenzen und der Infrastruktur unserer Hochschulen profitieren können. Wir haben letztes Jahr über hundert Projekte zusammen mit einer Hochschule starten können. Diese Projekte müssen aber auch finanziert werden. Dazu gibt es beim Bund spezifische Fördergelder. Letztes Jahr konnten wir erstmals für jeden Franken, den der Kanton Aargau für die Innovationsförderung durch das Hightech Zentrum Aargau ausgibt, einen zusätzlichen Franken an externen Fördergeldern in den Kanton Aargau holen und die Unternehmen haben sich mit mehr als zwei Franken an den Kosten der Projekte beteiligt. Mit Corona ist auch die Dringlichkeit der Digitalisierung wieder stärker in den Fokus gerückt. Wir wollen unsere Aktivitäten in diesem Querschnittsthema in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen.

    Wann macht es Sinn für KMU oder Start-ups, mit dem Hightech Zentrum Aargau zusammenzuarbeiten und wie rege wird diese Möglichkeit genutzt?
    Es macht immer dann Sinn, wenn das Unternehmen vor einer Technologiefrage steht, die es nicht selber lösen kann oder ein neues Innovationsprojekt starten möchte. Dabei soll sich das Unternehmen nicht durch unseren Namen abschrecken lassen. Wir sind auch für bodenständige oder banal scheinende Fragen da. Lieber einmal zu viel anrufen. Pro Jahr kommen wir mit rund 200 neuen Unternehmen in Kontakt.

    Wie hat sich das immense Netzwerk des Hightech Zentrums Aargau in den letzten Jahren entwickelt?
    Das Netzwerk zu den Unternehmen wächst jedes Jahr um gut Tausend Kontakte. Das Netzwerk zu den Hochschulen und weiteren Innovationsförderorganisationen ist schon gut ausgebaut. Da kommen nicht mehr so viel Neue dazu. Hier gilt es, die Kontakte zu pflegen und zu intensivieren.

    (Bild: zVg) Das Hightech Zentrum Aargau stellt mit dem Praxiszirkel Kreislaufwirtstaft den Aargauer Unternehmen Know-how zur Rückführung von Abfällen in den Wiederverwertungskreislauf zur Verfügung.

    Corona ist ein sogenannter Digitalisierungsbuster. Das Hightech Zentrum Aargau organisiert drei spannende Digitalisierungsforen. Welche Themen werden hier angegangen, können Sie uns eine Übersicht geben?
    Wir wollen, dass Unternehmen die Vorteile von digitalen Lösungen rasch nutzen können. Dazu bieten wir Werkzeuge und massgeschneiderte Workshops an, welche den Unternehmen helfen, ihre Potentiale zu identifizieren und wir unterstützen sie bei der Umsetzung. Im Praxiszirkel Industrie 4.0 beschäftigen wir uns mit den Möglichkeiten der Automatisierung sowie den damit einhergehenden Gefahren aus dem Cyberspace für die vernetzten Systeme. Corona hat vor allem in der Kommunikation und beim Bezahlwesen Veränderungen in den Firmen beschleunigt. Digitalisierung geht aber noch weiter. Die volle Wirkung kann sie erst erzielen, wenn Prozesse im Unternehmen und darüber hinaus verknüpft werden und ein manuelles Eingreifen auf ein Minimum reduziert wird. Bei einem Onlineshop funktioniert dies vom ersten Kundenkontakt bis zur Prüfung des Zahlungseingangs in der Regel sehr gut. Komplizierter wird es, wenn nicht Stückware, sondern individuelle Produkte angeboten werden sollen. Unser Engagement liegt darin, dass Unternehmen ihre Potentiale finden, welche mit digitalen Lösungen einfach geschlossen werden können.

    Die Digitalisierung ist gerade für KMU mit grossen Herausforderungen verbunden. Wo hapert es am meisten und was wären gute Lösungsansätze?
    Unternehmen tun sich oft schwer damit, das Kosten- zu Nutzenverhältnis einer digitalen Lösung abzuschätzen. Oft verharren sie im Status quo mit der Ausrede, das Unterfangen sei zu teuer oder die Realisierung zu aufwändig. Mit ersten überschaubaren Schritten können die Unternehmen allerdings rasch und einfach Erfahrungen sammeln. Diese Erkenntnisse lassen sich sukzessiven zu grösseren Projekten ausbauen. Wir sind der Meinung, dass dieser Prozess für jedes Unternehmen individuell durchlaufen werden muss. Wir unterstützen die Firmen dabei diesen Weg zu gehen und die nutzenstiftenden Ideen zu finden und zu realisieren.

    Die Landwirtschaft ist im Umbruch und steht vor grossen Herausforderungen. An den sogenannten Open Farming Hackdays anfangs September 2021 sind Lösungsansätze und Innovationen gefragt. In welche Richtung könnten mögliche Projekte oder Lösungsansätze gehen?
    Im letzten Jahr wurden elf sogenannte «Challenges» bearbeitet. Das sind konkrete Fragestellungen von Unternehmen und Organisationen, welche den Programmierern als Aufgaben gestellt, und welche von ihnen an den Hackdays zu einem Prototyp umgesetzt werden. Neun Projekte davon wurden später weitergeführt. Das sind zum Beispiel Themen wie:

    • Smarte Bewässerung: Eine App für eine digitale und nachhaltige Bewässerungssteuerung auf den Feldern
    • Ein CO2-Kompensationsprojekt in der Aargauer Landwirtschaft
    • TRIVAtünder: Eine App zum schnellen Austausch von Hofdünger unter Landwirten
    • In den Bereichen Ökologie, Kundenbindung und Vereinfachung von Prozessen sind ähnliche oder weiterführende Projekte zu erwarten.

    Eine zweitägige Veranstaltung ist auch das Smart City Lab. Wie können die Teilnehmende damit die Entwicklung der Stadt Lenzburg beeinflussen und vorwärtstreiben?
    Auf der einen Seite können sich die Bewohnerinnen und Bewohner von Lenzburg selber am Smart City Lab beteiligen, in dem sie mithelfen interessante Challenges zu formulieren und einzubringen. Das heisst selber Problemstellungen für Lenzburg zu finden, auszuarbeiten und zur Bearbeitung vorzustellen. Diese Problemstellungen können alle möglichen Lebenssituationen umfassen: Zum Beispiel im Bereich der Kommunikation neue Möglichkeiten ausloten oder Verknüpfungen von Menschen ermöglichen. Diese Challenges werden dann am Smart City Lab von bunt zusammengestellten Teams bearbeitet. Hier können sich die Teilnehmenden mit all ihren Kompetenzen einbringen und konkret an Konzepten, Prototypen und möglichen Umsetzungen mitarbeiten.

    Was sind die Vorteile dieser sogenannten Hackdays – also kollaborative und interdisziplinäre Events?
    Hackdays oder Hackathons sind in vielerlei Hinsicht ausserordentliche Veranstaltungen. Zum einen werden im Vorfeld möglichst viele interessante Datensätze zum gegebenen Thema aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Ergänzend dazu werden die Challenges formuliert. Am Anlass selber bilden sich dann die Teams spontan um die Fragen, welche sie am meisten interessieren. So kommen Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Disziplinen zusammen, was dann zu ganz neuen und unerwarteten Lösungsansätzen führt. Wenn sich während eineinhalb Tagen Spass, Spontaneität, Kreativität und konkrete Probleme treffen, entsteht viel Neues.

    Das HTZ ist ein Träger der Plattform E-Cargovia, die nach einem Jahr eine positive Bilanz ziehen kann. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück und beteiligt sich das Hightech Zentrum Aargau noch an weiteren solchen Projekten im Bereich Energietechnologien und Ressourceneffizienz?
    Das Angebot von E-Cargovia ist aus zwei wichtigen Aspekten interessant: Auf der einen Seite ermöglicht die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen eine effizientere Ressourcennutzung, welche durch den Einsatz der E-Mobilität ihren Nutzen für die Umwelt nochmals erhöht. Auf der anderen Seite ermöglicht die einfach zu bedienende App E-Cargovia-Fahrzeuge spontan oder auch auf längere Frist zu reservieren und zu nutzen. Dieses Angebot ist wirklich sehr gut! Damit ein E-Cargovia-Standort realisiert werden kann, müssen sich einige lokale Partner zusammenfinden. Diese können ihrerseits durch ihre Ausstrahlung ein wirksames Marketing des Angebotes erreichen und somit berechtigterweise eine gute Ausnutzung erwarten. Deshalb und auch weil E-Cargovia gut unterhalten und solide organisiert wird, ist dieses Unternehmen so erfolgreich gestartet.

    Das HTZ führt diverse Praxiszirkel durch, unter anderen zum Thema Kreislaufwirtschaft. Wie stark ist die Kreislaufwirtschaft in Aargauer Unternehmer-Alltag Realität?
    Die Kreislaufwirtschaft hat viele verschiedene Aspekte. Einige Aspekte werden schon seit längerer Zeit im ureigenen ökonomischen Interesse von den Unternehmen verfolgt, wie die Rückführung von Abfällen in den Wiederverwertungskreislauf. Dies ist erst ein Anfang, um mit den materiellen Ressourcen optimal umzugehen. Je früher im Produktedesign die Kreislaufidee einbezogen wird, desto erfolgreicher ist nachher die Umsetzung. Toxische und schwierig rezyklierbare Stoffe werden so weit wie möglich weggelassen und durch geeignetere Alternativen ersetzt. Das Ideal stellt hier das vollständige und energetisch optimierte Recycling dar, welches die Stoffe ohne Wertverlust wieder in den ursprünglichen Prozess einfliessen lässt. Um dieses Know-how den Unternehmen zur Verfügung zu stellen, starten wir den Praxiszirkel Kreislaufwirtschaft.

    Interview: Corinne Remund


    Innovation für Aargauer KMU

    Das Hightech Zentrum Aargau ist die Anlaufstelle für KMU in Sachen Innovationsberatung. Egal ob ein KMU Hersteller von Produkten ist, im Bereich Dienstleistungen, im Handel oder anderen Branchen tätig ist – das Hightech Zentrum Aargau berät, begleitet und unterstützt kleine und mittelgrosse Unternehmen im Kanton Aargau, damit diese sich weiterentwickeln und neue Ideen umsetzen können. Mit seiner «Mission Innovation» bieten das Hightech Zentrum Aargau ein grosses Wissen und Erfahrung, ein breites Netzwerk sowie die nötige Förderung. www.hightechzentrum.ch

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