Welt ohne Kunststoff – nicht möglich

    KUNSTSTOFF.SWISS – Die Branche ist in einem dynamischen Umfeld äusserst innovativ unterwegs. Ein grosses Thema ist die Kreislaufwirtschaft, wo Kunststoff sich immer wieder als idealer Werkstoff, der recycelt werden kann, beweist. Herausforderungen sind Überregulierungen durch den EU-Einfluss, eine zuverlässige Energieversorgung sowie der Fachkräftemangel. 

    (Bild: zVg) Kunststoffe leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz: Beim Heizen beispielsweise wird wesentlich weniger Wärmebedarf durch Gebäudeisolationen in Kunststoff generiert.

    Die Kunststoffbranche ist eine typische KMU-Branche, und gehört damit zum Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Rund 40 Prozent der Kunststoffe, die in der Schweiz verwendet werden, gehen in die Verpackung und ähnlich viele in den Bau. Weitere wichtige Sektoren sind Medizin, Elektronik und Mobilität. «Der Trend geht in Richtung Automatisierung», sagt Riccardo Casanova. Er ist seit anfangs Jahr Geschäftsführer von KUNSTSTOFF.swiss. «Denn in der Schweiz werden vorwiegend hochwertige Produkte hergestellt, dazu braucht es viel Fachwissen und Expertise und – was zunehmend wichtig ist – auch zuverlässige Lieferketten und ein industriefreundliches, nicht überreguliertes Umfeld.» Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium führten ihn verschiedene Stationen in die Kunststoffindustrie. Sein Ziel ist es, den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Kunststoff über den kompletten Lebenszyklus hinweg zu fördern, ökonomisch und ökologisch sinnvolle Lösungen zur Verwertung von Kunststoffabfällen zu entwickeln und attraktive, zielgerichtete Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung zu bieten. Besonders am Herzen liegt ihm auch eine transparente Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: «Gerade heute ist es wichtiger denn je, in der zum Teil emotionalen Diskussion rund um Kunststoff, eine sachliche Informationspolitik zu betreiben.»

    Denn gerade im Zusammenhang mit der Klimakrise wird Kunststoff oftmals angeprangert – zu Unrecht. «Kunststoffe helfen dabei, dem Klimawandel entgegenzutreten. Kunststoffe machen Fahrzeuge leichter, was den Energieverbrauch reduziert», erklärt Präsident Silvio Ponti. So wäre ein durchschnittliches Auto ohne Kunststoff rund 300 Kilo schwerer. Kohlefaserverstärkte Kunststoffe – auch bekannt als Karbon – reduzieren das Gewicht eines Bauteils zum Beispiel im Flugzeugbau bis zu 50 Prozent, was entsprechend Energie spart. 

    Zahlreiche Nachhaltigkeitsprojekte
    Kreislaufwirtschaft ist für den Verband ein zentrales Anliegen. KUNSTSTOFF.swiss setzt sich dafür ein und fördert Zielsetzungen im Bereich umfassender Nachhaltigkeit in der Schweiz und der EU. Dazu Casanova: «Wir setzen auf das proaktive Engagement unserer Mitglieder in der nachhaltigen Transformation. Dazu gehört die Vermeidung des Eintrags von Kunststoff in die Umwelt, das Schliessen von Produkt- und Materialkreisläufen, das Konstruieren von Produkten nach den Regeln der Kunststofftechnik für Langlebigkeit, Design for Recycling und den Einsatz von Ressourcen – inklusive Kunststoff – zu minimieren.» Der Verband beteiligt sich an diversen Nachhaltigkeitsprojekten. So hat KUNSTSTOFF.swiss zusammen mit der deutschen RIGK GmbH vor einem Jahr den Verein ERDE Schweiz ins Leben gerufen. Dies ist ein Rücknahme- und Verwertungssystem für Siloballenfolien, Netze und Garne in der Schweiz, das – aus einer freiwilligen Industrieinitiative entstanden – aktiv zu nachhaltiger Agrarwirtschaft in der Futtermittelproduktion und im Obst- und Gemüseanbau beiträgt. «Jährlich kommen in der Schweiz geschätzte 6’000 bis 8’000 Tonnen Landwirtschaftsfolien in den Umlauf, davon wurde bisher nur ein Bruchteil rezykliert», so Casanova. Und der 58-jährige Tessiner zieht eine erfreuliche Bilanz: «Es zeigt sich bereits jetzt, dass das Rücknahmeziel 2022 von 1’200 Tonnen Erntekunststoffen übertroffen wird.»

    Der innovative Verband ist auch am Projekt «Sammlung 2025» beteiligt. Dabei wird ein nationales Sammel- und Recyclingsystems von Kunststoffverpackungen und Getränkekartons mit entsprechender Organisation und Finanzierungslösung aufgebaut. Ebenso arbeitet KUNSTSTOFF.swiss mit Composites United Switzerland und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zusammen, um im Rahmen der Innosuisse-Ausschreibung einen Innovation Booster zum Thema «Plastics for Zero Emission» zu etablieren. Dieser ermöglicht es, in den nächsten vier Jahren diverse Innovations- Projekte zu fördern. «Die globale Herausforderung des Klimawandels braucht gemeinsames Handeln. Die Schweiz will deshalb ihren CO2-Ausstoss bis spätestens 2050 auf NettoNull bringen», betont Ponti. «Teil der Lösung sind die Stärken der Schweizer Kunststoffindustrie.» Gemeinsam mit der Forschung werden innovative und disruptive Ideen gesucht und gefördert, um CO2-Emissionen zu vermeiden und Negativemissionstechnologien zu entwickeln. Aktuell haben sich bereits rund 35 Firmen und Hochschulen bereit erklärt, im Konsortium Plastics for Zero Emission mitzuwirken. «Durch die Zusammenarbeit aller Partner in der Wertschöpfungskette werden wirtschaftliche Potenziale freigesetzt und Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen», sagt Casanova.

    Attraktive Karrieremöglichkeiten mit zukunftsorientierten Berufen
    Einen grossen Stellenwert im Verband hat die Aus- und Weiterbildung. Allerdings ist die Nachfrage nach den Lehrberufen Kunststofftechnologe/in EFZ und Kunststoffpraktiker/in EBA zu tief – und das Image des Werkstoffs Kunststoff ist dabei nicht sehr hilfreich. Ebenso sind die Berufe eher unbekannt. «Auch wir spüren den ungebrochenen Trend weg von handwerklichen Berufen zu Büroberufen», so Casanova. Jährlich schliessen 75 bis 85 Jugendliche eine der beiden Lehrberufe Kunststofftechnologe/-in EFZ und Kunststoffpraktiker/-in EBA ab, wobei das EFZ stärker vertreten ist. «Im August 2022 haben wir unter dem Titel «Chance Kunststoff» eine Integrationsvorlehre für die Kunststoffberufe ins Leben gerufen», stellt Casanova fest. Diese einjährige Integrationsvorlehre für vorläufig aufgenommene Personen, Flüchtlinge sowie Personen aus EU/EFTA- und Drittstaaten dient zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung. 

    Die Schweizer Kunststoffbranche ist sehr innovativ, entsprechend attraktiv sind die Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten in der Branche – von der höheren Fachprüfung (HFP) zum Techniker HF über CAS bis hin zum MAS an einer Fachhochschule oder Universität. «Es werden stetig neue Verfahren entwickelt, bestehende Abläufe verbessert und neue Produkte auf den Markt gebracht. Dazu braucht es gut ausgebildete Fachkräfte auf allen Stufen», betont Ponti. Die Ausbildung ist zudem äusserst attraktiv – nicht zuletzt aufgrund des neuen handlungskompetenzorientierten Bildungsplans, der seit dem letzten August in Kraft ist. Keine starren Fachrichtungen mehr, sondern die Möglichkeit, neue Technologien wie 3D-Druck einfach zu integrieren und eine generalistische Ausbildung durch mehr üK-Tage, sind nur einige Änderungen. 

    Grosses Zukunftspotenzial
    KUNSTSTOFF.swiss setzt sich auf politischer Ebene konsequent für gute Rahmenbedingungen ein, um den Standort Schweiz gegenüber ausländischer Konkurrenz zu fördern. «Wir greifen ein, sobald Kunststoffe gegenüber anderen Materialien benachteiligt werden sollen, wie zum Beispiel mit einer Plastiksteuer oder ähnlichen Vorstössen», so Casanova. Der Verband unterstützt aber auch Initiativen und Vorstösse zur Kreislaufwirtschaft wie die parlamentarische Initiative 20.433 «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken». Der EU-Einfluss (Green Deal, Verpackungsverordnung, Überregulierung), die Energieversorgungssicherheit sowie der Fach- und Arbeitskräftemangel sind zurzeit die grössten Herausforderungen für die Branche. 

    Silvio Ponti und Ricardo Casanova sehen ein grosses Potenzial in der Branche – denn eine Welt ohne Kunststoffe ist nicht möglich: «Der Trend zu hochwertigen Produkten versus billigen Einwegprodukten und neue zirkuläre Geschäftsmodelle werden Innovationskraft die Branche fordern, diese ist aber auf dem richtigen Weg und gut gerüstet.» Auch der Medizinalbereich wird mit zunehmender Überalterung noch wichtiger und ist ohne Kunststoffe nicht möglich (Kosten, Hygiene, Flexibilität). Dort spielen neben Einwegprodukten auch hochwertige Geräte eine grosse Rolle. Und die schnell wachsende E-Mobilität funktioniert nur dank Leichtbau und auch dieser ist ohne Kunststoffe nicht möglich. 

    «Wichtig bleibt aber, dass die Schweiz weiterhin von Regulierungen auf EU-Niveau verschont bleibt und die Rahmenbedingen für die Industrie – wie beispielsweise Energie, erleichterte Zuwanderung von Fachkräften, Förderung des Bildungsstandorts Schweiz – verbessert werden», betonen Ponti und Casanova. 

    Corinne Remund 

    www.kunststoff.swiss
    www.erde-schweiz.ch
    www.swissrecycling.ch
    www.nano.swiss

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