Biodiversitätskrise – ist es wirklich so schlimm?

    Eine Initiative und ein Gegenvorschlag wollen die Biodiversitätsflächen ausbauen. Doch beide gehen zu weit. Die Landwirtschaft trägt schon heute viel zu einer vielfältigen Natur bei. 

    (Bild: pixabay) Aktuell haben wir in der Schweiz über 160’000 ha Biodiversitätsflächen.

    Ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Dies zeigen zwei neue Berichte des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) auf. Schuld daran ist der Klimawandel, die Versiegelung der Böden und natürlich die intensive Nutzung der Böden durch die Landwirtschaft.

    Im Dezember 2022 fand die Weltnaturkonferenz in Montreal statt. Dabei verpflichten sich über 200 Staaten, dass bis im Jahr 2030 über 30 Prozent der Landschaft und der Meere zum Schutzgebiet werden. Die Schweiz war auch mit dabei und hat sich dazu verpflichtet, dies in unserem Land ebenfalls umzusetzen.

    Diese Rolle spielt die Landwirtschaft
    Ohne Landwirtschaft wäre die ganze Schweiz ein grosses Waldgebiet. Das wäre zwar naturnah, aber kein Gewinn für die Biodiversität. All die Pflanzen und Tiere, die nicht im Wald, im Hochgebirge oder im Wasser zu Hause sind, hätten bei uns gar keinen Lebensraum. Die Landwirtschaft fördert die Biodiversität also schon deshalb, weil sie Flächen offen und eine Vielfalt an Nutztierrassen hält und Pflanzensorten kultiviert.

    In der Schweiz reifte die Erkenntnis schon früh, dass Landwirtschaft mehr bieten sollte, als nur möglichst billige Lebensmittel zu produzieren ohne Rücksicht auf Verluste. Mit den Reformen in der Agrarpolitik begann das Umdenken: Der Bund entschädigt seither die Bauernfamilien mit den Direktzahlungen für solche nicht marktfähigen Leistungen. Damit ein Hof überhaupt öffentliche Gelder erhält, muss er den sogenannten ökologischen Leistungsnachweis erfüllen. Dazu gehört unter anderem, dass er statt Monokulturen eine vielfältige Fruchtfolge einhält und vor allem sieben Prozent seiner Fläche zur Förderung der Biodiversität bereitstellt. Das können extensive Wiesen, Buntbrachen, Ackersäume, Hochstammbäume, Hecken oder Asthäufen sein. Aktuell haben wir in der Schweiz über 160‘000 ha solcher Biodiversitätsförderflächen. Das entspricht drei Mal der Fläche des Bodensees und 14 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Damit übertrifft die Landwirtschaft eines der Etappenziele klar, welches der Bund im Rahmen der Agrar­politik für sie gesetzt hat.

    Ebenfalls sind 71 Prozent der Biodiversitätsförderflächen – und damit weit mehr als die geforderten 50 Prozent – miteinander vernetzt.

    Biodiversitätsinitiative als Lösung?
    Aktuell wird im Eidgenössischen Parlament über den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative diskutiert. Grosse Teile der Landesfläche würden zusätzlich als Biodiversitätsflächen ausgeschieden. Der Bundesrat hat sich im Rahmen der internationalen Biodiversitätskonvention verpflichtet, 17% der Landesfläche als Biodiversitätsflächen auszuscheiden. Dieses Flächenziel wurde in der Strategie Biodiversität Schweiz von 2012 aufgenommen. Gemäss Bundesrat erfüllen gegenwärtig 13.4% der Fläche die Vorgaben an die Kerngebiete, da nicht alle landwirtschaftlichne Biodiversitätsförderflächen angerechnet sind. Die fehlenden 3.6% entsprechen 150’000 ha. Das entspricht der Fläche des Kantons Luzern.

    Die Initiative sowie der Gegenvorschlag gehen viel zu weit und sind somit abzulehnen. Sie würden den Handlungsspielraum der Kantone, aber auch der Landwirtschaft und des Tourismus- und Energiesektors stark einschränken.

    Mehr Qualität statt Quantität
    Die Landwirtschaft unternimmt in der Schweiz seit einiger Zeit also unheimliche Anstrengungen, um die Biodiversität zu fördern. Jetzt ist es wichtig, dass dies von Seiten der Politik und der Gesellschaft anerkannt wird. Es kann und darf nicht sein, noch mehr Flächen zu fordern, sondern die bestehenden sollen aufgewertet werden und an Qualität zulegen, damit das gemeinsame Ziel die Biodiversität zu erhöhen erreicht werden kann.

    Der Schutz der Biodiversität und Artenvielfalt ist sicher richtig und wichtig und ich als Bauer bemühe mich, meinen Beitrag dazu zu leisten. Aber alles hat seine Grenzen. Meines Erachtens ist gerade in der heutigen Zeit mit Krieg in Europa die Versorgungsicherheit von hochwertigen Lebensmittel als strategisch wichtig einzustufen, damit unsere Bevölkerung in der Schweiz jederzeit und auch in Zukunft gut versorgt ist.

    Christian Glur, Meisterlandwirt
    und Grossrat 

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